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Aus der Lausitzer Rundschau
Ein Lausitzer Theologe begleitete den DDR-Widerstand, die Wende und den Kosovo-Einsatz

WENN DAS POLITISCHE PRIVAT WIRD

Fragt man Peter Paul Gregor nach seinem Lebensweg, so bekommt man schnell das Gefühl, in einen Roman einzutauchen - in eine spannende Geschichte über das Leben in der DDR, deutliche Zeichen Gottes und die Erlebnisse eines Militärpfarrers im Kosovo.

Von Andrea Hilscher:
Druckreif spricht er, und so klar wie die Worte des katholischen Seelsorgers sind auch seine Überzeugungen. Zugeflogen sind dem energischen Mann seine Glaubenssätze allerdings nicht: Vieles hat er sich hart erarbei­tet auf einem durchaus steinigen Lebensweg - und einiges hat, da ist Gregor überzeugt, einiges hat auch mit klaren Zeichen Gottes zu tun.
Aber zum Anfang: Geboren wurde Peter Paul Gregor 1955 in Gera. Sein Vater, Kapellmeister und Chorleiter am dortigen Theater, war evangelisch, die Mutter katholisch. "Und Muttersprache ist Glaubenssprache" , sagt Gregor - er wuchs hinein in eine katholisch geprägte Lebenswelt. Schon als Dreijähriger der erste dra­matische Bruch: Die Familie zog nach Wismar und als. dort die Hirn­hautentzündung ausbrach, wurde er zur Großmutter ausquartiert. ,,So überlebte ich die Epidemie - aber nach der langen Trennung erkannte ich meine eigene Mutter nicht mehr." 1962 kam Gregors Vater nach Cottbus, reiste aber regelmäßig mit der Familie zu monatelangen Tourneen nach Usedom. "Eine sehr befreiende Erfahrung für ein Kind - sich überall zu Hause fühlen zu können."

Ratzinger als Gastdozent erlebt

Das Elternhaus schuf die Liebe zur Musik und die katholische Kirche die schöpferische Bindung zur katholischen Jugend. Tonmeister wollte er werden, doch als er merkte, dass er selbst für diesen Weg nicht um Studi­en in Marxismus-Leninismus herumkam, fühlte er sich betrogen, gezwungen, unfrei. ,,Und so suchte ich nach einem Studium, das mir mehr Freiheit bot." Er fand diesen Ort geistiger Freiheit in Erfurt. Konnte Theologie und Philosophie studieren - unter anderem bei einem
Gastdozenten, der damals Ratzinger hieß und heute Papst Benedikt.

,,Aber trotz aller Studien: Der Gedanke, einmal geweihter Pfarrer zu werden, schien mir damals eine Nummer zu groß." In den Westen , wollte er ,,irgendwann einmal" , pflegte enge Kontakte zur polnischen Solidarnosc, lernte ihren Anführer Lech Walesa kennen und schätzte die Weltoffenheit der polnischen Nachbarn. So absolvierte er nach dem Studium das obligatorische Prakti­kum - und fand sich in der Nacht vor seiner Weihe zum Diakon auf gepackten Koffern. "Abhauen wollte ich, zumal ich während meines Studiums zwei Jahre Atheist war, wirklich gegen Gott." Ein enger Freund von ihm war kurz zuvor bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ­ ein Verlust, den Gregor nicht verzeihen konnte. Doch als er diese Nacht aus seinem Zimmer schlich, trat ihm ein Pater entgegen. ,,Na, kannste auch nicht schlafen? Lass uns ein Bier trinken." Wieder eines dieser Zeichen, meint' Gregor, am nächsten Morgen stand der Zweifelnde vor dem Altar und ließ sich zum Diakon weihen.
Ich war 25 und musste für mich die Frage der Ehelosigkeit klären. Ein Schritt, den man freiwillig geht oder gar nicht. Jedenfalls mag ich es nicht, wenn da jemand von ,Zwangszölibat' spricht."
Aber kann ein Mann mit 25 wissen, welche Konsequenzen diese Entscheidung für sein Leben hat? "Es ist so wie mit der Ehe. Ich kann nicht erwarten, dass ich mit 40 noch aus den gleichen Gründen zu einem Partner steh' wie mit 20, da müsste schon etwas Tieferes dazugekommen sein. Und so muss auch ich immer wieder meine Motive für die Ehelosigkeit prüfen und erneuern." Gregor spricht dann von etwas, das ihm sehr am Herzen liegt: die Freiheit, die in der Verbindlichkeit wurzelt. ,,Je mehr ich mich binde, umso freier bin ich", ist er überzeugt und beklagt mangelnde Verbindlichkeit als Hybris unserer Zeit.
Doch nicht nur freier Wille, auch etwas wie Berufung habe ihn in sein Amt geführt. ,,Was einen aber nicht vor sämtlichen Krisen schützt, die man durchleben darf - nicht muss." Krisen, Zweifel, Prüfungen: 1980 kam der frisch geweihte Pfarrer nach Finsterwalde. "Ich rutschte gleich in die Szene um die Spatensoldaten, war damit endgültig auf der Liste der Stasi." Sogar verwanzte Beichtstühle musste er kennen lernen.
1989 kam die Wende - und für den Pfarrer etwas, das einem Todesurteil gleichkam. ,,Ein Virus, ich war halbseitig gelähmt und die Ärzte sahen keine Chance mehr für mich." Doch Gregor wollte nicht aufgeben. Mithilfe einer guten Physiotherapeutin, seinem eisernen Willen "und Gottes Wirken" wurde er wieder gesund. Ging 1992 als Schulpfarrer und Reli­gionslehrer in die Lausitz. Er war Mitbegründer des evangelischen Gymnasiums in Hoyerswerda - ,,eine sehr, sehr anstrengende und fruchtbare Zeit". Sieben Jahre später wuchs die Lust auf neue Herausfor­derungen. Es traf sich, dass seine Diözese gerade einen Militärpfarrer entsenden musste. Und so kam der einst ausgemusterte ,,Spatensoldat" an den Militärstandort Eggesin bei Ueckermünde, wurde Seelsorger für eine Division, eine Brigade und ein Korps. "Ich hab' also alles durch", sagt er und löst auch gleich den für ihn nur scheinbaren Widerspruch zwischen Militär und Religion. "Für mich als Katholik ist der Mensch an sich sündig. Zur Verteidigung der Menschenwürde braucht es notwendigerweise Polizei und Militär. Die es aber ständig nach den gültigen Men­schenrechten zu beurteilen gilt."

,,Da wirst du dann ganz still"

Peter Paul Gregor begleitete seine Soldaten in den Kosovo. Erlebte Kameradschaft, Mängel und "Momente, da stehst du vor einem Feld mit 1000 Gräbern, da wirst du dann ganz still". Die Rolle des Militärs beschäftigt den Theologen bis heute zutiefst. Das Fehlen eines gemeinsamen Menschenbildes innerhalb der Nato beklagt er, ebenso die Schwierigkeiten, aus dem Christentum erwachsenes Demokratieverständnis in ein Land wie Afghanistan zu exportieren. Und auch zu dem Einsatz deutscher Soldaten im Kongo hat er seine ganz eigene Meinung. ,,Ein Land, das derzeit selbst ringt um seine moralisch-philosophischen Grundsätze, ein solches Land kann schwerlich moralische Grundsätze in den Kongo tragen."
Doch seine aktuellen Aufgaben sind andere: 2005 wurde er zum Pfarrer der Hoyerswerdaer Kirchengemeinde ,,Zur Heiligen Familie" berufen. Muss nun den Umbau des Pfarrhauses betreuen, die Administration, und das für ihn Wichtigste: "Den Menschen vermitteln, dass sie hier willkommen sind. Ihnen zeigen, dass man Konflikte auch einfach mal stehen lassen kann. Dass niemand perfekt ist - und trotzdem jeder Respekt verdient. Und dass wir alle nur der Weg sind. Die Vollendung, die geschieht ganz woanders."