Intensive Freundschaft mit Gott
In diesem Jahr wird der 500. Geburtstag der Heiligen
Teresa von Avila begangen.
Sie gilt als eine der grössten Mystikerinnen. Wer war
die Frau, die zur ersten
Kirchenlehrerin ernannt wurde?
Die Heilige Teresa wurde 1515 in einer Zeit des Um-
und Aufbruchs in
Avila geboren. 1492 werden die letzten Mauren aus
Spanien
vertrieben. Mit der Entsendung von Christoph
Columbus im
gleichen Jahr beginnt die « Conquista» - die
Eroberung des
lateinamerikanischen Kontinents und damit
verbunden der
wirtschaftliche Aufschwung Spaniens. Gleichzeitig
wird Spanien von einer
geistlichen Erneuerungsbewegung erfasst. Die neue
spirituelle Bewegung,
inspiriert durch deutsche Mystiker wie Heinrich
Seuse (1298-1366) und
Johannes Tauler (1300-1361), fusst auf drei
Prinzipien: der
Selbsterkenntnis, der Nachfolge Christi und der Vereinigung mit Gott. Beeinflusst durch diesen Hintergrund
tritt Teresa gegen den Willen ihres Vaters, einem Mitglied des niedrigen Adels, am 2. November 1535 in den
«Karmel von der Menschwerdung » in Avila ein.
In den ersten Jahren im Kloster gerät Teresa in eine Krise. Sie wird sterbenskrank und ist drei Jahre mehr
oder weniger gelähmt. Ihre gesundheitlichen Beschwerden gehen mit einer religiösen Krise einher. Teresa
hält sich nicht für würdig, Christus nachzufolgen. Erst ihre sogenannte «zweite Bekehrung» während der
Fastenzeit 1554 bringt innere Klarheit. In den folgenden Jahren erlebt Teresa tiefe Gebetserfahrungen und
Visionen. Das Jahr 1560 ist geprägt von entscheidenden Ereignissen. Zum einen erlebt sie die Vision der
«Herzverwundung ». In der Vision sieht Theresa wie ein Engel mit einem brennenden Speer ihr Herz
berührt. In ihrer Autobiographie reflektiert sie über das Erlebnis: «Ich war wie weggerissen und ergriffen vor
lauter Liebe zu Gott.» Zum anderen beschliesst Teresa die Neugründung eines Klosters, in dem die
ursprünglichen
Ordensregeln
der Karmeliter
der Armut und
Zurückgezogenheit in den Vordergrund rücken sollen.
Skulptur der Heiligen Teresa im Stadtzentrum von Avila.
Zwei Wesenszüge Teresas können heute noch wegweisend sein. Zum einen ihr Bestreben, Reformen nicht
durch Rigorismus, sondern durch «Suavidad» (Sanftheit) voranzutreiben. Kennzeichen ihrer Spiritualität
sind ein geschwisterlicher Lebensstil, das Einüben des Ich-Sterbens - dem Freiwerden vom Ego - und die
Pflege einer intensiven Freundschaft mit Gott. Für Mariano Delgado, Professor für Dogmatik an der
Universität Fribourg, hat die Spiritualität der Heiligen Teresa eine innovative Kraft, weil sie «Marta mit Maria
versöhnt» habe, d.h. die innere Beschaulichkeit mit der tätigen Nächstenliebe vereint. Die Heilige Teresa
schreibt nämlich: «Ob wir Gott lieben, kann man nicht wissen; die Liebe zum Nächsten erkennt man aber
sehr wohl.»
Zum anderen beeindruckt ihr ständiges Bestreben, Gebet. als Freundschaft mit Gott beziehungsweise mit
Jesus zu begreifen: «Das Gebet ist meiner Ansicht nach nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund,
mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil er uns liebt.» An einer
anderen Stelle hält sie fest: «Bete nicht um leichtere Last, sondern um einen stärkeren Rücken.» Dieser
geistigen Grundhaltung ist es zu verdanken, dass Teresa trotz massiver Widerstände und Anfeindungen an
ihrer eigenen Spiritualität und dem Bestreben der Erneuerung sowie der Liebe zu Kirche hat treu bleiben
können. Ihre unerschrockene Ausstrahlung und ihr Selbstbewusstsein haben aber nichts mit Feminismus zu
tun, sondern mit der tiefen Überzeugung, dass Jesus Frauen «immer mit grossem Mitgefühl bevorzugt »
und bei ihnen «genauso viel Liebe und mehr Glauben gefunden hat als bei den Männern».
Manfred Kulis. Pastoralassistent in der Pfarrei Herz-Jesu. Zürich-Oerlikon
Manfred Kulis. Pastoralassistent in der Pfarrei Herz-Jesu. Zürich-
Oerlikon
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